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Spanien Vergessen Sie alle Mallorca-Klischees: Felanitx kann mehr

Felantix
Festlicher Osten: In der Markthalle verkaufen Franziska und Miguel Wurst und Schinken aus der Region. Sonntags ist Markt rund um die Pfarrkirche Sant Miquel; die Stufen nutzt ein Händler als Stand für Keramiken (links)
© Gulliver Theis
Eine seelenruhige Kleinstadt voller Geheimnisse: In Felanitx wohnt ein leibhaftiger Heiliger, eine himmlische Köchin tischt die wohl beste Paella der Insel auf. Ein Spaziergang durch einen Ort, der mit sich im Reinen ist

Inhaltsverzeichnis

Unterwegs in Felanitx im Osten Mallorcas

Bitte vergessen Sie, bevor Sie diesen Text lesen, alles, was Sie über Mallorca zu wissen glauben. Vergessen Sie türkisfarbenes Wasser und stimmungsvoll hergerichtete Altstädte, in denen sich Bodega an Fischrestaurant an Kunstgalerie reiht. Vergessen Sie aber auch das Gefühl, sich Schulter an Schulter mit anderen Staunenden durch enge Gassen zu schieben. Oder das Gefühl, die eigentlichen Sprachen der Insel seien Deutsch oder Englisch. In Felanitx werden Sie all das nirgendwo finden, solange Sie weder zum sonntäglichen Wochenmarkt noch zur Radrennsaison im Frühjahr kommen.

Felanitx ist vielmehr eine schläfrige Kleinstadt mit 7500 Bewohnern und Trubel und Kommerz gegenüber gleichgültig. Sie beschäftigt sich lieber mit ihren kleinen Alltagsgeschichten und ihrer Vergangenheit, als mit Deià oder Santanyí um den Titel der schönsten Gemeinde der Insel zu wetteifern. Nehmen Sie zum Beispiel die Keramikerin Maria Francisca Bennassar, eine reizende Frau in einem von Tupfen übersäten Kleid.

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Ihr Atelier liegt so unauffällig am Ortsrand, dass sich der Eindruck aufdrängt, sie wolle es vor allzu viel Laufkundschaft bewahren. Sie fertige, was ihr gefalle, sagt sie, vom klassischen Service bis zur quietschbunten Schale in Form eines Kaktusblatts. Dafür benötigt sie nur einen Bruchteil des Raums, den die Fabrik ihrer Großeltern einst einnahm. Die Produktionshallen hat sie längst einreißen lassen, ein Nebengebäude, das sie stehen ließ, reicht völlig aus.

»Früher gab es in Felanitx viele Fabriken, in denen Geschirr und Kunstperlen hergestellt, oder Aprikosen gedörrt, oder Oliven abgefüllt wurden. Die haben inzwischen alle geschlossen. Die Nachfrage sank, wie in unserem Betrieb ja auch, da reicht sie grade aus, dass ich allein weitermachen kann.«

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Sie verkauft an Einheimische, an Zuwanderer aus Nordeuropa, die im Umland einen Winterwohnsitz haben. »Kaum an Touristen«, sagt sie. Ein regelmäßiges Einkommen bringen ihr Straßenschilder, die sie für mallorquinische Gemeinden herstellt. »Inzwischen sind auch Einmannbetriebe wie meiner selten geworden in Felanitx«, sagt Francisca Bennassar. »Die meisten sind angestellt in der Touristikbranche und pendeln zur Arbeit.«

Woraus Sie keinesfalls ableiten sollten, Felanitx wäre mausetot. Der Charme des Orts ist vergleichbar mit dem eines älteren Herrn, dem sein verblichener Zweireiher auch deshalb so gut steht, weil er schiefe Blicke seiner Mitmenschen nicht einmal zur Kenntnis nimmt. Und erst recht keine verteilt.

Da wäre zum Beispiel die Pfarrkirche Sant Miquel, so etwas wie das geografische Zentrum der Stadt: Der größte Teil der Fassade ist blanke Mauer. Erkundet man aber das Innere des gotischen Schiffs, steht man vor einem goldglänzenden Altar, vor Retabeln von überbordender barocker Pracht.

Oder der Kalvarienberg, zu dessen Kuppe ein äußerst schmuckloser, gewundener, oft menschenleerer Aufstieg führt, hin zu einer verschlossenen Kapelle. Ihr Putz blättert wie die Borke einer Platane. Doch der Blick fällt weit über das Kleinstadtmosaik aus Weiß und Sandtönen und über die eierkuchenflache Ebene, die sich nach Nordwesten öffnet.

GEO Saison Mallorca
© GEO Saison

Oder die Plaça d’Espanya: Der zentrale Platz ist von Cafés und Restaurants gesäumt, die im laufenden Jahrhundert ganz sicher noch keine Renovierungsbrigade betreten hat. Da gibt es unter anderem das »Ca N’Usola«, dessen patrona Magdalena Barceló Duran jeden auslacht, der auf die abwegige Idee kommt, sie zu siezen, bevor sie arroz brut serviert, die mallorquinische Spielart der Paella, die noch nicht einmal ein Fernsehkoch zu verfeinern wagt.

»Keine Ahnung, wie lange es meinen Laden schon gibt«, sagt sie und blickt fragend zu einem älteren Gast mit mächtigem Schnauzbart. Der zuckt bloß mit den Schultern: »Toda mi vida.« Sein ganzes Leben lang. Es folgt ein tiefer Griff in Magdalenas Anekdotenschatztruhe. Sie erzählt vom illegalen Spielsalon, der einst im ersten Stock des Hauses betrieben wurde, vom Papagei, der die Gäste vor nahender Polizei warnte, und vom Spieler, der betrunken ins Bett der falschen Frau fiel und vor Schreck am Morgen aus dem Fenster sprang.

Ein Ort in Felanitx aber übertrifft, was die Nostalgie angeht, alle anderen. Er liegt zehn Gehminuten nördlich der Plaça d’Espanya. Man erkennt das Haus an einem Schild, auf dem alles Mögliche steht, doch nur ein Wort zu lesen ist: Timoner. Guillem Timoner, 91, Radrennfahrer, sechsfacher Welt- und 29-facher Spanienmeister, ist landesweit ein Superstar und auf Mallorca eine Legende. In Felanitx aber ist er ein Heiliger. Nach ihm sind eine Straße und ein Sportzentrum benannt, seine Trikots hängen im örtlichen Kloster, zu seinem Geburtstag schmeißt der Bürgermeister ein Stadtfest, und es dürfte niemanden im Ort geben, der seine Triumphe nicht aufzählen könnte.

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Haus Nummer vier hat keine Klingel. Sie müssen klopfen. Durch die Scheibe sehen Sie, so Timoner will, den Meister selbst auf seinem alten, aufgebockten Rennrad: beim Training. In altersgemäßem Tempo kommt er herbei und öffnet die Tür. Der Raum ist düster und zauberhaft, ein Dutzend alter Rennräder ist aufgereiht, eines eleganter als das andere, an den Wänden unzählige Werbeplakate für Rennen und Räder und Regale mit Pokalen, die von Timoners Erfolgen zeugen.

Und dann sagt der heilige Guillem von Felanitx zwei Sätze, die seinem unscheinbaren Haus gelten, sich aber ebenso gut als Wahlspruch über dem Stadtwappen seiner Heimat eignen würden: »Das hier ist kein Museum, und es ist auch kein Geschäft. Es ist einfach mein Zuhause.«

Finca-Hotel "Sa Posada d'Aumallia"
Zwischengang: Der Kaminsalon im Finca-Hotel »Sa Posada d’Aumallía«
© Gulliver Theis

Schlafen: Fincas und Hotels in Felanitx

Weitläufig ist die Finca CAN BESSOL mit den typischen grünen Fensterläden und traditionellen, rotbraunen Möbeln. Zum Frühstück gibt es selbstgemachte Marmelade. Das Haus liegt ideal für Besucher, die es an die Strände von Portocolom oder Cala d’Or zieht. S’Horta, Camí a Cala Ferrera, Tel. (mobil) 0034-639-69 49 10, DZ ab 90 Euro

Die Zimmer des 2017 eröffneten Hotels FINCA HOTEL SON POU sind modern und in hellen Tönen eingerichtet, und haben Balkon oder Terrasse. Felanitx, Camí de Son Mesquida, Tel. 0034-971-18 56 83, DZ/F ab 105 Euro

Leicht außerhalb steht die wunderschöne Finca HOTEL RURAL SA POSADA D'AUMALÍA mit Pool, Tennisplatz und einer Freilichtbühne. Das Hotelrestaurant bietet eine gute und relativ preiswerte Küche. Felanitx, Camí d’Almallía s/n, Tel. 0034-971-58 26 57, DZ/F ab 145 Euro

Einkaufen in Felanitx

Schöne Souvenirs findet man in Francisca Bennassars kleinem Werkstattladen CERÀMIQUES MALLORCA. Felanitx, Carrer Sant Agustí 50–58, Tel. 0034-971-58 02 01

Café "Ca N'Usola", Felantix
Pausenhof: Das Café »Ca N’Usola« auf der Plaça d’Espanya
© Gulliver Theis

Essen und Trinken in Felanitx

Im ESTRAGON isst man in einem urigen Gewölbe, an der Wand hängt altes Kochgeschirr und auf der Terrasse blickt man zwischen Bäumen auf die weitläufige zentrale Plaça Peralada. Der Rosé-Hauswein ist fabelhaft, und die Küche, etwa der Fasan mit Weintrauben, ist anspruchsvoll, ohne übertrieben zu sein.Felanitx, Plaça Peralada 14, Tel. 0034-971-58 33 03

Dass der Name des Café-Restaurants CA N'USOLA in mindestens zwei Schreibweisen existiert, ist kein Zufall: Ein Ahne der Besitzerin benannte es nach einer Ursula, die er im Norden kennengelernt hatte; allerdings war er nicht sicher, wie sich der Name schreibt. Die Küche ist eindeutig bodenständig und köstlich, das Mittagsmenü günstig und üppig. Felanitx, Plaça Espanya 8, Tel. 0034-971-58 00 46

Der herrliche Sandstrand S’ARENAL DE PORTOCOLOM liegt unter Pinien, eine Strandbar liefert Getränke, einheimische Familien planschen im klaren Wasser, und gegenüber schaukeln die Masten der Segelboote vor den Fassaden der Fischerhäuser.

Ausflüge um Felanitx

RADTOUR NACH PORTOCOLOM: Etwa 5 Kilometer bei 300 Höhenmetern radelt man hinauf zum Kloster Santuari de St. Salvador, für Freizeitsportler eine Herausforderung. Die Profis, die im Februar zum Training anreisen, absolvieren die Steigung mehrmals hintereinander. Oben gibt es zwei Ausflugslokale und einen spektakulären Weitblick.

WANDERUNG AM KALVARIENBERG: Etwa eine Stunde geht man vom Zentrum zum Gipfel des Kalvarienbergs. Auf einer sehr langen Treppe erhebt man sich über die Dächer, bis schließlich der eigentliche Wanderweg beginnt, gesäumt von Zypressen, Eichen und Tableaus, die den Leidensweg Christi illustrieren. Die Kapelle oben ist leider verschlossen, was aber durch die Aussicht wettgemacht wird.

GEO SAISON Nr. 04/2018 - Mallorca

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