Kulturanleitung für Medizinal-Rhabarber - Bayerische Landesanstalt ...
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<strong>Kulturanleitung</strong> <strong>für</strong> <strong>Medizinal</strong>-<br />
<strong>Rhabarber</strong> (Rheum palmatum und<br />
R. officinale) zur Produktion von<br />
Rhei radix bzw. der<br />
TCM-Droge Dahuang<br />
LfL-Information
2<br />
Einleitung<br />
Heil- und Gewürzpflanzen gehören zu den Anbau- und Marktnischen innerhalb der<br />
Landwirtschaft. Für einzelne Betriebe können sie realistische Anbaualternativen darstellen,<br />
wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Dazu gehören neben der Absatzsicherung<br />
noch vor Beginn des Anbaues unter anderem Aufbereitungs- und Trocknungsanlagen,<br />
überdurchschnittliches Können und Bereitschaft zu hohem Arbeitseinsatz sowie nach Möglichkeit<br />
gemeinschaftlicher Anbau und Absatz. Gerade was die Vermarktung anbelangt, ist<br />
der Anbauer ganz auf sich allein gestellt. Üblicherweise kaufen die Firmen auch nur nach<br />
Mustervorlage ein. Die Schwierigkeiten bei Anbau, Ernte und Aufbereitung werden außerdem<br />
noch durch stark schwankende Preise in Abhängigkeit vom Weltmarktangebot und<br />
durch die hohen Energiekosten <strong>für</strong> die Trocknung verstärkt.<br />
Zur Erweiterung dieses Segmentes müssen daher Produktinnovationen – wie sie <strong>für</strong><br />
Deutschland „neue“ Pflanzen innerhalb der großen Artenzahl dieser Sonderkulturen darstellen<br />
– genutzt werden. Eine solche neue Pflanzengruppe stellen die in der Traditionellen<br />
Chinesischen Medizin (TCM) verwendeten Arzneipflanzen dar. Die Phytotherapie ist ein<br />
wesentlicher Bestandteil der TCM, die in der westlichen Welt, vor allem in Nordamerika<br />
und Europa zunehmend an Bedeutung gewinnt. Trotz großer Anstrengungen in China bereitet<br />
der Import dieser Drogen immer wieder Probleme hinsichtlich Beschaffung und Qualität.<br />
Gut dokumentierte, homogene, verwechslungsfreie und nach standardisierten Qualitätskriterien<br />
geprüfte Produkte sind bei TCM-Drogen noch keine Selbstverständlichkeit. Durch einen<br />
Anbau von Heilpflanzen mit definierter Herkunft unter kontrollierten und dokumentierten<br />
Bedingungen können die Arzneimittelsicherheit und die allgemeine Qualität des Drogenmaterials<br />
wesentlich verbessert werden. Um “chinesische“ Arzneipflanzen unter kontrollierten<br />
Bedingungen in Deutschland anbauen zu können, beschäftigt sich die LfL seit 1999<br />
mit der systematischen Anbauforschung ausgewählter Arten.<br />
Zu diesen Arten zählen auch Rheum palmatum, R. tanguticum und R. officinale (s. Titelbild).<br />
R. palmatum und R. officinale werden außerdem in der westlichen Phytotherapie verwendet<br />
und sind daher auch im Europäischen Arzneibuch monographiert. Ein freier Verkauf<br />
dieser Drogen ist aus arzneimittelrechtlichen Gründen normalerweise nicht möglich. Die<br />
Vermarktung dieser Arten muss deshalb über einen direkten Kontakt zwischen Landwirt<br />
und Handelsfirma beziehungsweise verarbeitendem Unternehmen erfolgen, wobei die Absatzfrage<br />
unbedingt vor dem Anbau geklärt werden muss!<br />
Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes, das vom <strong>Bayerische</strong>n Landwirtschaftsministerium<br />
und der Fachagentur Nachwachsender Rohstoffe (FNR) finanziell gefördert<br />
wird, wurden die wichtigsten Grundlagen <strong>für</strong> ein modernes Kultivierungsverfahren<br />
erarbeitet. Die nachfolgenden Anbau- und Ernteempfehlungen sollen dem Praktiker möglichst<br />
viele Hinweise <strong>für</strong> einen erfolgreichen Feldanbau qualitativ hochwertiger Rohware im<br />
Rahmen eines umweltverträglichen Anbaues liefern. Die Empfehlungen, die auf jeden Fall<br />
noch an die speziellen Betriebsverhältnisse angepasst werden müssen, basieren auf mehrjährigen<br />
Versuchen der LfL unter südbayerischen Verhältnissen. Ergänzt werden sie mit<br />
Angaben aus der internationalen Fachliteratur, sofern solche überhaupt existieren.<br />
Botanik, Inhaltsstoffe und Verwendung<br />
Rheum palmatum L. ssp. palmatum, Rheum palmatum, var. tanguticum (Maxim.) Stapf<br />
(Rheum tanguticum) und Rheum officinale Baill. (Arzneirhabarber, <strong>Medizinal</strong>rhabarber) (s.<br />
Titelbild) gehören zur Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae). Charakteristisch <strong>für</strong><br />
die Gattung sind folgende Merkmale: Ausdauernde krautige Pflanze mit rundem, geriffel-
tem Stängel, 45 - 140 cm hoch im vegetativen Stadium, zur Blüte ab dem zweiten Vegetationsjahr<br />
180 - 200 cm; verzweigte, fleischige, rübenartige große Wurzeln mit gelber oder<br />
roter Farbe, Blätter sehr groß (30 - 60 cm), lang gestielt, dunkelgrün, teilweise mit tief roten<br />
Adern, gelappt, drei- bis fünfnervig; kleine rote, rosa oder weißlich-grüne Blüten (s. Abb. 1)<br />
in hohen Rispen; Staubblätter weißlich-gelb oder rot; Früchte rotbraun bis braun, oval<br />
(s. Abb. 2).<br />
Die Gattung Rheum besteht aus etwa 30 Arten, sie ist in den gemäßigten Zonen Asiens verbreitet,<br />
hauptsächlich in China. Rheum-Arten können stark bastardisieren, sodass die Unterscheidungsmerkmale<br />
fließend sind. So kann z. B. auch in Rheum palmatum der Inhaltsstoff<br />
Rhaponticin auftreten, obwohl dieser in der reinen Art nicht vorhanden ist!<br />
Die Pflanzen blühen erst ab dem zweiten Vegetationsjahr ab Anfang Mai.<br />
Abb. 1: Rheum hat rote und weiße Blüten<br />
Abb. 2: Die Tausendkornmasse der Samen liegt bei 5,2 bis 13,7 g<br />
3
4<br />
Die 3 bis 17 cm langen und 3 bis 10 cm dicken Wurzel- und Rhizomstücke ohne Feinwurzeln<br />
(Radix et Rhizoma Rhei, Dahuang) von Rheum palmatum, R. tanguticum oder R. officinale<br />
werden in der TCM bei Unterleibschmerzen, Verstopfung, Furunkeln, bei Gelbsucht,<br />
bei Sturz- und Schlagverletzungen, geröteten Augen; äußerlich zur Behandlung von Brandwunden<br />
verwendet. In der westlichen Phytotherapie wird diese Droge bei Verstopfung eingesetzt.<br />
Typische Inhaltsstoffe sind die Anthrachinone (Anthrachinonglykoside und -aglykone)<br />
Rhein, Aloeemodin, Emodin, Physcion und Chrysophanol sowie Flavonoide, Phenolcarbonsäuren<br />
und Gerbstoffe. Im Chinesischen Arzneibuch 2005 wird ein Mindestsummengehalt<br />
von 1,5 % an Aloeemodin, Rhein, Emodin, Chrysophanol und Physcion sowie<br />
ein Extraktgehalt (Heiß-Wasser) von mindestens 25 % in der Trockensubstanz vorgeschrieben.<br />
Das Europäische Arzneibuch 2008 schreibt mindestens 2,2 % Hydroxyanthracen-<br />
Derivate, berechnet als Rhein, in der Trockensubstanz vor. Gegenwärtig wird eine neue Bestimmungsmethode<br />
entwickelt, die dann einen niedrigeren Mindestgehalt mit sich bringen<br />
wird (s. Kap. „Ernte“).<br />
Beide Arzneibücher schreiben die Abwesenheit von Rhaponticin vor (geprüft mit der Dünnschichtchromatographie).<br />
Boden und Klimaansprüche<br />
Im Hinblick auf die Reinigung der Wurzeln und die Einhaltung der Reinheitsanforderungen<br />
darf Rheum nur auf siebfähigen Böden und solchen mit geringem Steinbesatz angebaut<br />
werden. Für gute Wurzelerträge werden tiefgründige Böden bevorzugt. Grundsätzlich sollte<br />
die Anbaufläche frei von Schadstoffen und nicht mit Klärschlamm gedüngt sein. Heil- und<br />
Gewürzpflanzen sollten generell nur an Standorten angebaut werden, die unbelastet von<br />
Industrieabgasen oder Siedlungsabfällen (auch Altlasten!) sind. Da es <strong>für</strong> diese Art noch<br />
keine zugelassenen oder genehmigten Herbizide gibt, sollte insbesondere bei einer Drillsaat<br />
auf das Feld ein unkrautarmer Standort gewählt werden. Selbst auf tiefgründigen Standorten<br />
ist eine Beregnung direkt nach einer Pflanzung vorzusehen. Bei lang anhaltender Trockenheit<br />
und schlechter Wasserversorgung der Böden kann noch eine zusätzliche Bewässerung<br />
zur Ertragssicherung sinnvoll sein.<br />
Nach guter Abhärtung vertragen Jungpflanzen leichte Fröste. Ausfälle über den Winter treten<br />
nicht auf, sodass Rheum als frosthart bezeichnet werden kann.<br />
Fruchtfolge<br />
Um einer Anreicherung von Krankheitserregern und Schädlingen sowie einer einseitigen<br />
Bodenbelastung durch schwere Erntemaschinen vorzubeugen, sollte danach unbedingt eine<br />
vier- bis fünfjährige Anbaupause <strong>für</strong> alle Knöterichgewächse wie zum Beispiel Buchweizen<br />
oder Sauerampfer eingehalten werden. Als Vorfrüchte sind Hackfrüchte und Getreide geeignet.<br />
Kulturen, bei denen mit Herbizidrückständen im Boden gerechnet werden muss, sind<br />
ungeeignet. Getreide oder Mais sollten als Nachfrucht angebaut werden, da durch die dort<br />
einsetzbaren Herbizide auch die Bekämpfung eines eventuellen Durchwuchses von im Boden<br />
verbliebener Wurzelteile und ausgefallener Samen (bei mehrjähriger Kultivierung) einfacher<br />
ist.<br />
Bodenvorbereitung und Düngung<br />
Entsprechend dem gewählten Anbauverfahren muss das Feld locker <strong>für</strong> die Pflanzung beziehungsweise<br />
feinkrümelig, aber gut abgesetzt, <strong>für</strong> die Aussaat hergerichtet werden. Gerade<br />
als Maßnahme zur Unkrautbekämpfung ist Pflügen ein wichtiges Instrument. Im Früh-
jahr kann dann auf abgetrocknetem Boden der Einsatz von Kreiselegge oder Saatbettkombination<br />
erfolgen. Vor einer Saat sollte <strong>für</strong> eine Bodenrückverfestigung gesorgt werden. Zur<br />
vorbeugenden Unkrautbekämpfung ist eventuell ein weiterer Einsatz der Saatbettkombination<br />
vor Aussaat oder Pflanzung empfehlenswert.<br />
Im Sinne eines umweltverträglichen Anbaues muss sich die Nährstoffversorgung nach dem<br />
Nährstoffbedarf durch die Pflanzen (Entzüge siehe Tabelle 1) und nach der Bodenuntersuchung<br />
richten. Da die individuelle Ertragshöhe den tatsächlichen Entzug bestimmt, können<br />
die in der Tabelle angegebenen Durchschnittswerte pro Hektar aber nur als Anhaltspunkt<br />
dienen. Auf optimal versorgten Böden sollte die Düngung bei Phosphat, Kalium und Magnesium<br />
durch organische oder anorganische Düngemittel in Höhe des Entzugs beziehungsweise<br />
der Abfuhr erfolgen. Bei Unter- oder Überversorgung sind die im Ackerbau üblichen<br />
Faktoren zu berücksichtigen. Dabei ist die Nährstoffnachlieferung aus Ernterückständen zu<br />
beachten. Bei einer Kopfdüngung ist darauf zu achten, dass möglichst keine Düngerkörner<br />
auf Blättern und Blattachseln liegen bleiben. Diese können zu Verätzungen und Eintrittstellen<br />
<strong>für</strong> Pilzsporen führen. Frischer Stallmist oder Gülle sollten nicht direkt zur Kultur eingesetzt<br />
werden, da sie eventuell zu überhöhten Keimzahlen im Erntegut führen können. Mineralische<br />
Dünger mit Phosphat, Kalium und Magnesium sind zur Vermeidung hoher Salzgehalte<br />
im Boden während der Jugendphase bereits längere Zeit vor dem Anbau zu verabreichen.<br />
Für Stickstoff (N) geben die in Tabelle 1 angegebenen Werte den Nährstoffbedarf<br />
aller Pflanzenteile an. Der <strong>für</strong> die Düngung entscheidende Sollwert liegt um etwa 30 kg<br />
Reinnährstoff/ha höher.Von diesem ist der Nmin-Gehalt des Bodens in 0 bis 60 cm Tiefe vor<br />
Anbau- oder Vegetationsbeginn abzuziehen. Die so errechnete gesamte Stickstoffmenge<br />
muss in mehrere Gaben aufgeteilt werden: Die erste Gabe erfolgt etwa drei Wochen nach<br />
dem Auflaufen oder der Pflanzung bzw. nach dem Austrieb (im März). Eine weitere wird<br />
vor dem Schließen des Bestandes (je nach Anbauverfahren im ersten Standjahr Mitte bis<br />
Ende Juli, im zweiten Jahr Mitte bis Ende April) verabreicht. Wegen der schnellen und frühen<br />
(im zweiten Jahr) Blattmasseentwicklung kann es bei der zweiten Gabe schon zu mechanischen<br />
Beschädigungen und Verätzungen durch Düngerkörner an den Pflanzen kommen.<br />
Deshalb wurde in einer mehrjährigen Versuchsreihe der Einsatz des mit einem Nitrifikationshemmer<br />
versehenen Düngers “Entec 26“ in einer Gabe gegenüber zwei Gaben von<br />
“Ammonsulfatsalpeter“ geprüft. Weder bei den Erträgen noch bei den Inhaltsstoffen wurden<br />
statistisch gesicherte Unterschiede gefunden, sodass aus arbeitstechnischen und bestandesschonenden<br />
Erwägungen der einmalige Einsatz von “Entec 26“ empfohlen werden kann.<br />
Anbau<br />
Im Gegensatz zu vielen anderen TCM-Arten wird Saatgut von Arzneirhabarber auch von<br />
deutschen Saatgutfirmen angeboten, da er ja ebenfalls in der westlichen Phytotherapie eingesetzt<br />
wird. Allerdings zeigten die beiden hier bezogenen Rheum palmatum-Herkünfte<br />
hinsichtlich der völligen Abwesenheit von Rhaponticin bzw. der botanischen Identifizierung<br />
(Problem der Bastardisierung!) Mängel. Trotzdem wurde ihre Entwicklung auf dem Feld<br />
sowie das Ertrags- und Inhaltstoffverhalten untersucht. Nur eine aus einem Versuchssortiment<br />
stammende Herkunft von Rheum officinale, die über Gewebekultur weitervermehrt<br />
wurde, entsprach sowohl in der botanischen Charakterisierung als auch in der vollständigen<br />
Abwesenheit von Rhaponticin in der Wurzeldroge den Vorgaben beider Arzneibücher.<br />
Pflanzenmaterial, das später über die Saatgutgewinnung weiter vermehrt wurde, zeigte allerdings<br />
wieder Spuren von Rhaponticin. Hier muss abgewartet werden, ob in einer zukünftigen<br />
neuen Rheum-Monographie mit einer variierten Inhaltsstoffanalytik ein tolerierbarer<br />
Höchstwert formuliert wird. Saatgut dieser ansonsten in den Versuchen <strong>für</strong> gut befundenen<br />
Herkunft unter der Bezeichnung ’BLBP 01’ wird inzwischen von der Fa. Jelitto Staudensa-<br />
5
6<br />
men GmbH, Postfach 1264, 29685 Schwarmstedt, Tel. 05071/9829-0<br />
(http://www.jelitto.com; info@jelitto.com) vertrieben. Bei dieser Herkunft handelt es sich<br />
noch nicht um sortenreines Saatgut. Der Anbauer kann aber sicher sein, dass es sich hierbei<br />
tatsächlich um die richtige geforderte botanische Art Rheum officinale mit den in der<br />
<strong>Kulturanleitung</strong> dargestellten Eigenschaften handelt.<br />
Rheum kann entweder direkt auf das Feld gesät oder nach einer Jungpflanzenanzucht ausgepflanzt<br />
werden. Die Tausendkornmasse (TKM) des Saatgutes liegt bei 5,2 bis 13,7 g (<strong>für</strong><br />
Rheum officinale und R. palmatum) (s. Abb. 2). Obwohl das Ertragspotenzial der beiden<br />
Rheum-Arten sehr hoch ist, muss der Anbau zum Erreichen der vorgeschriebenen hohen<br />
Rheinwerte mindestens zweijährig durchgeführt werden!<br />
Im Hinblick auf die spätere maschinelle Ernte ist auch an einen Beetanbau mit breiteren<br />
Fahrspuren und mehreren Reihen pro Beet in Abhängigkeit von der Rodebreite der Erntemaschine<br />
zu denken. Vorverfestigte Fahrspuren sichern die Befahrbarkeit auch bei schlechteren<br />
Wetterbedingungen und verringern die Bodenverdichtung zwischen den Fahrspuren.<br />
Tabelle 1: Nährstoffentzüge von Rheum palmatum, R. officinale*)<br />
Nährstoffentzug<br />
..... je 100 dt frische Wurzeln<br />
......je 100 dt frisches Kraut<br />
(Ernterückstände)<br />
..... bei durchschnittlichem Ertrag<br />
von 200 dt/ha frischen Wurzeln<br />
..... bei durchschnittlichem Ertrag<br />
von 250 dt/ha Krauternterückständen<br />
Gesamtentzug pro Hektar<br />
*) nach Untersuchungen der LfL<br />
N<br />
40 kg<br />
23 kg<br />
80 kg<br />
58 kg<br />
138 kg<br />
P2O5<br />
24 kg<br />
9 kg<br />
48 kg<br />
23 kg<br />
71 kg<br />
K2O<br />
45 kg<br />
51 kg<br />
90 kg<br />
128 kg<br />
218 kg<br />
CaO<br />
23 kg<br />
25 kg<br />
46 kg<br />
63 kg<br />
109 kg<br />
MgO<br />
11 kg<br />
6 kg<br />
22 kg<br />
15 kg<br />
37 kg<br />
S<br />
5 kg<br />
2 kg<br />
10 kg<br />
5 kg<br />
15 kg<br />
Drillsaat<br />
Die Drillsaat auf das Feld stellt eine Möglichkeit des Feldanbaus dar, wenn nicht mit Erdflöhen<br />
und dem Ampferblattkäfer zu rechnen ist. Bei einem Befall der Keimlinge kann es<br />
allerdings zu massiven Ausfällen bis zum Totalausfall kommen!<br />
Jätaufwand <strong>für</strong> das in der Säreihe auflaufende Beikraut ist nur in der Jugendphase notwendig,<br />
da Rheum schnell wächst. Durch den Einsatz von Netzegge und Reihenstriegel vor der
Aussaat und ggf. durch Anhäufeln kann dieser Aufwand aber reduziert werden. Je nach<br />
Saatgutqualität können auch Fehlstellen auftreten, die dann ebenfalls zu einem erhöhten<br />
Pflegeaufwand führen.<br />
Die Drillsaat des Saatguts wird im Frühjahr (Mitte/Ende April) mit einer Saattiefe von 3 -<br />
4 cm und einem Reihenabstand von 62,5 - 75 cm vorgenommen. Die Aussaatstärke beträgt<br />
2 kg/ha bei einer TKM von 12 g. Bei niedriger Keimfähigkeit (< 70 %) muss die Aussaatmenge<br />
grundsätzlich entsprechend erhöht werden. Die TKM und der Prozentsatz der Keimfähigkeit<br />
sollten unbedingt vom Saatgutlieferanten erfragt werden. Da die Saatgutpartien<br />
unterschiedlich sein können, empfiehlt sich generell die Anwendung nachfolgender Formel:<br />
Tatsächliche Aussaatmenge [g/ha] =<br />
TKM der Partie [g] x empfohlene Aussaatstärke [g/ha] x 100<br />
durchschnittliche TKM [g] x Keimfähigkeit der Partie [%]<br />
Druckrollen unmittelbar nach den Säscharen müssen <strong>für</strong> den notwendigen Bodenschluss<br />
sorgen. Drei Wochen nach der Aussaat ist der Bestand aufgelaufen. Es wird später nicht<br />
vereinzelt.<br />
Jungpflanzenanzucht<br />
Für eine Frühjahrspflanzung erfolgt die Anzucht im Gewächshaus von Mitte März bis Mitte<br />
April mit einer anschließenden mindestens 8-tägigen kalten und luftigen, aber frostfreien<br />
Abhärtungsphase. Diese Abhärtung ist <strong>für</strong> einen schnellen Wachstumsstart und <strong>für</strong> das<br />
schadlose Überdauern von Spätfrösten auf dem Feld von größter Bedeutung. Optimal sind<br />
kompakte, nicht vergeilte, kräftige Jungpflanzen.<br />
Um die gewünschten Pflanzentuffs von zwei bis drei Pflanzen pro Pflanzstelle zu bekommen,<br />
ist pro Anzuchtcontainer die Aussaat von zwei bis vier Samen ohne späteres Vereinzeln<br />
notwendig. Die Samen sollten auf die Substratoberfläche abgelegt werden. Für 1000<br />
Tuffs werden etwa 50 g Saatgut benötigt. Gut bewährt <strong>für</strong> die Anzucht haben sich die Vefi-<br />
Zapfencontainer mit einem oberen Durchmesser von 3,2 cm. Die 40 x 60 Zentimeter großen<br />
Platten enthalten 160 Container. Nach der Aussaat ist es zur Gewährleistung einer guten<br />
Wasserversorgung der Samen günstig, die Anzuchtplatten dünn in Samenstärke mit Vermikulit,<br />
einem leichten Tonmineral mit großer Wasserkapazität, zu übersieben.<br />
Rheum benötigt <strong>für</strong> eine erfolgreiche Keimung Keimtemperaturen von 20 - 25 °C. Für einen<br />
gleichmäßigen und zügigen Aufgang wird der Einsatz einer Bodenheizung und das Abdecken<br />
mit durchsichtiger Folie oder Glasfenstern (<strong>für</strong> eine hohe relative Luftfeuchtigkeit nahe<br />
100 %) bis zum Auflaufen empfohlen. Bei starker Sonneneinstrahlung muss schattiert werden.<br />
Mit dem Gesamtauflauf kann nach zehn bis vierzehn Tagen gerechnet werden. Um<br />
einem Vergeilen der Jungpflanzen vorzubeugen, muss die Abdeckung ab dem Auflaufen der<br />
ersten Keimlinge entfernt und die Bodenheizung abgestellt werden. Die Lufttemperatur<br />
muss <strong>für</strong> die Dauer von etwa zehn Tagen danach etwa 20 °C entsprechen und kann dann<br />
kontinuierlich auf 15 °C abgesenkt werden. Eine Zusatzbelichtung mit Natriumdampf-<br />
Hochdrucklampen bis Ende März/Anfang April wirkt sich positiv auf die Pflanzenentwicklung<br />
aus. Als Substrat sind die einschlägigen, nur wenig gedüngten Anzuchtsubstrate zu<br />
verwenden.<br />
Etwa zwei Wochen nach dem Auflaufen kann mit dem Nachdüngen in einer Konzentration<br />
von 0,1 % eines stickstoffbetonten Volldüngers begonnen werden. Kurz vor der Pflanzung<br />
sollte eine 0,3 %ige Startdüngung vorgenommen werden.<br />
7
8<br />
Abb. 3: Anzucht von Rheum palmatum in Vefi-Zapfencontainern<br />
Das Saatgut von Rheum kann mehrere Jahre luftdicht verschlossen ohne nennenswerten<br />
Verlust seiner Keimfähigkeit gelagert werden. Dazu wird es entweder in einer Tiefkühltruhe<br />
nach ausreichender vorheriger Trocknung auf fünf bis sieben Prozent Samenfeuchte oder<br />
mit Zugabe eines Trocknungsmittels, zum Beispiel Silica Gel Orange, am besten im Kühlschrank<br />
bei 5 - 10 °C aufbewahrt. Pro Liter Aufbewahrungsbehältnis werden etwa 50 g<br />
Orangegel in locker verschlossenen Tüten, luftdurchlässigen Stoffsäckchen oder Filtertüten<br />
zu dem Saatgut in das verschlossene Gefäß gegeben. Das in Apotheken oder im Laborhandel<br />
zu beziehende Orangegel ist bei Durchsichtigwerden auszuwechseln, da dann seine<br />
Wasseraufnahmefähigkeit erschöpft ist. Nach einer mehrstündigen Trocknung, zum Beispiel<br />
im Backofen, bei etwa 140° Celsius bis zur Orangefärbung kann es wieder verwendet werden.<br />
Pflanzung<br />
Die Pflanzung erfolgt maschinell von Mitte bis Ende April in einem Reihenabstand von<br />
62,5 - 75 cm und einem Abstand in der Reihe von 50 - 60 cm (zirka 22.200 bis 32.000<br />
Pflanzenbüschel/Hektar). Für einen guten Anwachserfolg müssen die Pflanzen ausreichend<br />
durchfeuchtete Wurzelballen aufweisen. Nach der Pflanzung ist bei trockener Witterung<br />
unbedingt zu bewässern.
Abb. 4: Pflanzfertige Tuffs von Rheum officinale<br />
Pflegemaßnahmen<br />
Für die Kultur von Rheum sind gegenwärtig keine Herbizide zugelassen oder genehmigt.<br />
Die Unkrautbekämpfung kann daher nicht mit chemischen Mitteln durchgeführt werden.<br />
Vor allem <strong>für</strong> die Aussaat, aber auch <strong>für</strong> Pflanzungen werden deshalb nur Standorte mit<br />
geringem Unkrautdruck empfohlen. Sobald die Reihen sichtbar werden etwa drei Wochen<br />
nach der Aussaat der Kultur – beziehungsweise nach der Pflanzung – muss bis zum Bestandesschluss<br />
mehrmals Unkraut in der Reihe gejätet und zwischen den Reihen beispielsweise<br />
mit Reihenhacken, Reihenhackbürsten, der Weihenstephaner Trennhacke oder Reihenfräsen<br />
entfernt werden. Der Bestandesschluss erfolgt bei einer Drillsaat etwa 15 Wochen nach der<br />
Aussaat. Gepflanzte Bestände schließen elf bis zwölf Wochen nach der Pflanzung. Danach<br />
deckt Rheum den Boden sehr gut ab. Im zweiten Standjahr der Kultur schließt der Bestand<br />
bereits Mitte bis Ende April. In Trockenzeiten ist auch im Laufe der Kulturdauer der Beregnungseinsatz<br />
wegen der kräftigen Blattentwicklung mit starker Verdunstung sehr empfehlenswert.<br />
Ab dem zweiten Standjahr entwickelt Rheum sehr kräftige und lange Blütenstängel.<br />
Diese wirken sich nicht negativ auf den Ertrag aus. Trotz des „unschönen“ Aussehens<br />
der abgestorbenen Krautmasse im Spätherbst – insbesondere bei einer eventuell dreijährigen<br />
Kultivierung - muss diese nicht aus dem Bestand entfernt werden. In den Versuchen wurden<br />
dadurch keine Beeinträchtigungen der Kulturführung und Pflanzengesundheit beobachtet.<br />
9
10<br />
Abb. 5: Gepflanzter Bestand von Rheum<br />
palmatum im Juli des 1. Vegetationsjahres<br />
Abb. 6: Gepflanzter Bestand von Rheum<br />
officinale im Juli des 2. Vegetationsjahres<br />
Pflanzenschutz<br />
Bei der Anzucht wurden keine nennenswerten Krankheiten oder Schädlinge festgestellt. Auf<br />
dem Feld traten bei längerer trockener Witterung im Frühjahr Erdflöhe auf, die bei frisch<br />
aufgelaufenen Keimlingen zu erheblichen Ausfällen führten. Gegenmaßnahmen sind Bodenbearbeitung<br />
und Feuchthalten des Feldes. Rheum wird außerdem stark von den im Boden<br />
überwinternden Ampferblattkäfern und deren Raupen befallen. Der starke Lochfraß (s.<br />
Abb. 7) wird von Rheum im Regelfall “überwachsen“, auch von frisch gepflanzten Jungpflanzen.<br />
Keimlinge aus der Drillsaat können allerdings so stark geschädigt werden, dass es<br />
bei massivem Befall zu Totalausfall kommen kann. Die Pflanzung ist daher als das sicherere<br />
Anbauverfahren anzusehen. Auf dem Feld wurden außerdem unabhängig vom Anbauverfahren<br />
teilweise Ausfälle von Jungpflanzen durch Rhizoctoniabefall (Wurzelhals und Stängelbasis<br />
verbräunt, Welken) beobachtet.<br />
Solche Krankheiten treten insbesondere in Stresssituationen der Pflanzen z. B. nach kurz<br />
aufeinander folgenden starken Witterungsänderungen oder Stickstoffüberdüngung auf. Eine<br />
Bekämpfung auf dem Feld ist nicht möglich. Entscheidend ist es daher, gesundes Saatgut<br />
und gut entwickelte Jungpflanzen zu verwenden und durch gute Bodenstruktur, windoffene<br />
Lagen, weite Reihenabstände, gute Feldpflege und aufgelockerte Fruchtfolge <strong>für</strong> optimale<br />
Wachstumsbedingungen und möglichst geringen Infektionsdruck zu sorgen. Zu späte Pflege-<br />
und Düngemaßnahmen können zu Verletzungen der Pflanzen führen, die dann als Eintrittsstellen<br />
<strong>für</strong> Pilzsporen und Bakterien dienen.<br />
Wegen der relativ kleinen Anbauflächen gibt es <strong>für</strong> Heil- und Gewürzpflanzen nur wenige<br />
<strong>für</strong> die einzelnen Arten zugelassene Pflanzenschutzmittel. Genehmigungen im Rahmen der<br />
Lückenindikation sind ebenfalls nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Das gilt auch <strong>für</strong><br />
die Rheum-Arten. Pflanzenschutzmittel dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn <strong>für</strong> sie bei<br />
der Zulassung oder im Rahmen eines amtlichen Genehmigungsverfahrens ein Anwendungsgebiet<br />
(Kultur, Schaderreger) ausgewiesen ist. Rechtzeitig vor einem eventuell notwendigen<br />
Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel muss daher grundsätzlich die amtliche Pflanzenschutzberatung<br />
befragt werden, welche Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen können.<br />
Vor einem eventuellen Mitteleinsatz ist außerdem die Abnehmerseite zu informieren. Zusätzlich<br />
sind rechtzeitig vor der Ernte Rückstandsuntersuchungen vorzunehmen. Nur durch<br />
äußerst sorgfältigen Umgang mit dem chemischen Pflanzenschutz im Heil- und Gewürzpflanzenanbau<br />
kann sich die inländische Produktion positiv von den Importen abheben und
eine rückstandsmäßig unbedenkliche Rohware, wie sie heute allgemein verlangt wird, auf<br />
den Markt bringen.<br />
Abb. 7: Starker Befall mit Ampferblattkäfer (September 1. Vegetationsjahr)<br />
Ernte<br />
Die Ernte erfolgt am günstigsten Ende September bis Mitte Oktober im zweiten Standjahr,<br />
um den geforderten Rheingehalt erreichen zu können, bei trockener Witterung. Für die<br />
leichtere Reinigung sollte der Boden abgetrocknet sein, dies kann bei einem späteren Erntezeitpunkt<br />
Probleme bereiten. Vor der Rodung der Wurzeln ist der Entfernung des Krautes<br />
größte Aufmerksamkeit zu schenken. Das verwendete Mähwerk oder Schlegelgerät ist exakt<br />
einzustellen, um die oberirdischen Teile möglichst vollständig zu entfernen. Die Wurzelernte<br />
kann mit Schwingsieb-, Siebketten- oder Rüttelscharrodern vorgenommen werden. Die<br />
Rodegeräte sollten einen Tiefgang von 30 bis 40 Zentimetern aufweisen.<br />
11
12<br />
Abb. 8: Einjähriger Wurzelstock von<br />
Rheum palmatum<br />
In den Versuchen konnten die in Tabelle 2 dargestellten Erträge in Abhängigkeit von<br />
Rheum-Art, Anbauverfahren und -dauer ermittelt werden. Das Eintrocknungsverhältnis<br />
(EV) zwischen Frischware und Droge bewegte sich generell zwischen 3,1 und 3,6. Als<br />
Faustzahl kann man in der Praxis von durchschnittlich 55 - 65 dt Wurzeldroge pro Hektar<br />
nach einer Vegetationsperiode und von 100 - 125 dt/ha nach zwei Vegetationsperioden bei<br />
beiden Arten im Pflanzverfahren ausgehen. Bei der Drillsaat liegt das Ertragsniveau mit 20 -<br />
30 dt/ha im ersten Jahr und mit 50 - 70 dt/ha im zweiten Jahr deutlich niedriger. Dazu<br />
kommt das zuvor geschilderte Risiko eines Totalausfalles.<br />
Tabelle 2: Erträge bei Rheum officinale und R. palmatum*)<br />
Anbauverfahren/<br />
Anbaudauer/<br />
Frische Wurzeln<br />
[dt/ha]<br />
Wurzeldroge<br />
[dt/ha]<br />
Art R. off. R. pal R .off. R .pal<br />
Pflanzung<br />
einjährig 210 - 220 133 - 205 64 - 71 38 - 63<br />
zweijährig 350 - 450 270 - 370 115 - 136 77 - 121<br />
Drillsaat<br />
einjährig 100 - 160 70 - 83 29 - 53 18 - 24<br />
zweijährig<br />
*) nach Feldversuchen der LfL<br />
Abb. 9: Zweijähriger Wurzelstock von<br />
Rheum palmatum<br />
300 - 340 145 - 226 94 - 108 40 - 63
An Ernterückständen ist mit 150 bis 400 Dezitonnen frischem Kraut pro Hektar im ersten<br />
Jahr beziehungsweise mit 150 bis 300 dt/ha frischem Kraut im zweiten Jahr bei der Wurzelernte<br />
zu rechnen. Die starken Schwankungen hängen nicht von den verschiedenen Rheum-<br />
Arten oder dem Anbauverfahren ab, sondern vom Entwicklungsstadium der Krautmasse. So<br />
können die oberirdischen Pflanzenteile von Rheum in trockenen Jahren im Spätsommer –<br />
ohne erkennbaren negativen Einfluss auf den Wurzelertrag – bereits absterben, sodass zur<br />
Wurzelernte nur noch wenig Krautmasse vorhanden ist. Teilweise war danach aber auch<br />
wieder eine kräftige Blattneubildung zu beobachten.<br />
Tabelle 3: Wurzelgewicht und Rheingehalt in der Trockensubstanz der Droge bei Rheum<br />
officinale und R. palmatum *)<br />
Anbauverfahren/<br />
Anbaudauer/<br />
Durchschnittliches Wurzelfrischgewicht<br />
[g]<br />
Rheingehalt<br />
[%]<br />
Art R. off. R. pal R .off. R .pal<br />
Pflanzung<br />
einjährig 980 - 1040 742 - 890 0,25 - 0,33 0,19 - 0,58<br />
zweijährig 1425 - 2200 1080 - 3461 1,14 0,41 - 1,68<br />
Drillsaat<br />
einjährig 480 - 970 278 - 285 0,20 - 0,30 0,28<br />
zweijährig<br />
*) nach Feldversuchen der LfL<br />
1720 - 2345 587 - 830 0,94 0,40 - 1,23<br />
Die Interpretation der geforderten Inhaltsstoffgehalte gestaltet sich schwierig. So schreibt<br />
das Chinesische Arzneibuch 2005 einen Mindestgesamtgehalt von 1,5 % Aloeemodin,<br />
Rhein, Emodin, Chrysophanol und Physcion in der Trockensubstanz der Droge vor – bestimmt<br />
mit der HPLC-Methode. Das aktuelle Europäische Arzneibuch verlangt dagegen nur<br />
den Mindestgehalt von Rhein – „mindestens 2,2 % Hydroxyanthracen-Derivate, berechnet<br />
als Rhein“. Dieser wird hier aber nach der photometrischen Methode ermittelt. Bereits seit<br />
mehreren Jahren wird auch auf europäischer Ebene daran gearbeitet, diese Methode durch<br />
die HPLC-Analytik zu ersetzen. Nach den bisherigen Ergebnissen ist dabei von deutlich<br />
niedrigeren Rhein-Werten auszugehen als mit der photometrischen Methode ermittelten,<br />
wobei es noch keinen Umrechnungsfaktor <strong>für</strong> die Umrechnung von “Alt-“ zu “Neuwerten“<br />
gibt! In beiden Arzneibüchern wird durch den dünnschichtchromatographischen Nachweis<br />
die Abwesenheit von Rhaponticin gefordert.<br />
Hinsichtlich der Vorschriften zur pharmazeutischen Qualität von Drogen in Europa ist das<br />
Europäische dem Chinesischen Arzneibuch übergeordnet, sodass bei der Analyse der vielen<br />
Feldproben aus den Versuchen der LfL der Fokus nur auf den Rheingehalt und die Abwesenheit<br />
von Rhaponticin gerichtet wurde. Die ermittelten Rheingehalte sind in Tabelle 3<br />
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14<br />
aufgelistet. Daraus wird klar, dass der Rheingehalt nach einer zweiten Vegetationsperiode<br />
deutlich zunimmt. Auch wenn noch nicht sicher ist, wann welche “neuen“ Werte verbindlich<br />
vorgeschrieben werden, ist <strong>für</strong> die Produktion arzneibuchkonformer Ware sicherlich ein<br />
zweijähriger Anbau notwendig. Ein weiteres Kultivierungsjahr scheint nach den wenigen<br />
bisher vorliegenden Ergebnissen aus dreijährigem Anbau nicht erforderlich zu sein. Auf die<br />
Probleme mit Rhaponticin wurde bereits in Kapitel “Anbau“ eingegangen. In diesem Zusammenhang<br />
ist auch zu erwähnen, dass die Wurzelfarbe zwischen gelb und rötlich innerhalb<br />
einer Saatgutherkunft variiert, ohne deutliche Auswirkungen auf den Inhaltsstoffgehalt!<br />
Der nur vom Chinesischen Arzneibuch verlangte Heißwasser-Extrakt von mindestens 25 %<br />
wurde mit 33 bis 54 % immer deutlich überschritten.<br />
Aufbereitung<br />
Ungewaschene Wurzeln können nach dem Roden bei kühlem Wetter noch einige Tage zwischengelagert<br />
werden, gewaschene Wurzeln müssen dagegen nach oberflächlichem Abtrocknen<br />
umgehend der Trocknung zugeführt werden.<br />
Die Wurzelwäsche von Rheum ist etwas aufwändig, da die großen und dicken Wurzelstöcke<br />
verzweigt sind. Nur Erntegut von möglichst lehmarmen, siebfähigen Böden ohne Steine<br />
lässt sich mit vertretbarem Aufwand reinigen. Eine mechanische Erdabscheidung vor der<br />
Wäsche ist zu empfehlen. Die Wurzelstöcke müssen vom „Kopf“ her vor der Wäsche grob<br />
zerteilt werden, um eingeschlossene Substratreste aus der Jungpflanzenanzucht im Zentrum<br />
entfernen zu können. Für eine gründliche Wäsche sind lange Trommelwaschmaschinen mit<br />
viel Wasserdurchsatz und Umdrehungszahlen bis zu 20 in der Minute geeignet. Wegen des<br />
hohen Wasserverbrauchs und Abwasseranfalls sind rechzeitig bei den zuständigen Stellen<br />
die Genehmigungen <strong>für</strong> die Wasserentnahme und -entsorgung einzuholen. Der Erdbesatz<br />
der Wurzeln liegt auch auf leichten siebfähigen Böden bei 35 bis 50 Prozent.<br />
Das Schneiden der Wurzeln erfolgt möglichst vor der Trocknung auf eine einheitliche<br />
Stücklänge von zwei bis drei Zentimetern. Ein Scheibenschnitt kommt dem traditionellen<br />
Erscheinungsbild der chinesischen Importware nahe (s. Abb. 10), ist aber nicht unbedingt<br />
erforderlich, zumal sich die ermittelten Rheingehalte kaum unterschieden. Die zügige<br />
Trocknung erfolgt bei Temperaturen von 45 °C am Erntegut auf Satztrocknern wie Flächen-,<br />
Kasten-, Wagen- oder Etagentrocknern. Wichtig ist ein guter Luftdurchsatz zur<br />
schnellen Entfernung der feuchten Luft. Es muss so lange getrocknet werden, bis sich die<br />
Wurzeln bei einer Restfeuchte von unter 10 Prozent glatt durchbrechen lassen (10 bis 30<br />
Stunden).<br />
Nach der Trocknung ist die Droge geschützt vor Feuchtigkeit (auch Luftfeuchte!), Licht und<br />
Lagerschädlingen, zum Beispiel in Papier-, Jute- oder Kunststoffsäcken, aufzubewahren.
Abb. 10: Traditioneller Schnitt bei chinesischer<br />
Importdroge<br />
Abb. 11: Wurzeldroge aus Versuchsanbau<br />
Qualitätsanforderungen Droge „Radix et Rhizoma Rhei – Dahuang“ nach<br />
Chinesischem Arzneibuch 2005<br />
Neben den allgemein gültigen europäischen Qualitätskriterien, auf die hier nicht eingegangen<br />
wird, etwa zur mikrobiologischen Qualität, zum zulässigen maximalen Schwermetallgehalt<br />
oder zu Pflanzenschutzmittel-Höchstmengen, gelten die nachfolgenden spezifischen<br />
Qualitätskriterien:<br />
Das Chinesische Arzneibuch fordert eine Identitätsprüfung auf Rhein und die Abwesenheit<br />
von Rhaponticin (HPLC-Methode) sowie einen Mindestgesamtgehalt von 1,5 % Aloeemodin,<br />
Rhein, Emodin, Chrysophanol und Physcion in der Trockensubstanz der Droge.<br />
Weiterhin gilt ein Mindestgehalt von 25 % Heiß-Wasser-Extrakt.<br />
Der Trocknungsverlust der Droge darf 15 % nicht überschreiten. Maximal 10 % Asche und<br />
maximal 8 % salzsäureunlösliche Asche sind erlaubt.<br />
Qualitätsanforderungen Droge „Rhei radix“ nach Europäischem Arzneibuch<br />
2008<br />
Die Droge besteht aus den unterirdischen Teilen ohne Stängel. Neben den allgemein gültigen<br />
Qualitätskriterien, auf die hier nicht eingegangen wird, etwa zur mikrobiologischen<br />
Qualität, zum zulässigen maximalen Schwermetallgehalt oder zu Pflanzenschutzmittel-<br />
Höchstmengen, gelten die nachfolgenden spezifischen Qualitätskriterien:<br />
Mindestens 2,2 Hydroxyanthracen-Derivate, berechnet als Rhein (photometrische Methode)<br />
in der Trockensubstanz. Im Dünnschichtchromatogramm darf „keine blau gefärbte Zone<br />
(Rhaponticin) sichtbar sein“. Höchstens 12 %Trocknungsverlust (Feuchtegehalt), maximal<br />
12 % Asche und maximal 2 % salzsäureunlösliche Asche.<br />
Es ist davon auszugehen, dass mit dem definierten und eindeutig botanisch charakterisiertem<br />
Pflanzenmaterial der LfL und nach den Vorgaben dieser <strong>Kulturanleitung</strong> Radix et<br />
Rhizoma Rhei in hoher Qualität zu produzieren ist. Hinsichtlich der geforderten Inhaltsstoffe<br />
ist besonderes Augenmerk auf die neuen zu erwartenden Anforderungen des Europäischen<br />
Arzneibuches zu richten!<br />
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Literatur<br />
Anonym. Pharmacopoeia of the People’s Republic of China. English edition Vol. 1.<br />
Beijing: People’s Medical Publishing House; 2005.<br />
Bauer R, Heubl G, Bomme U: Probleme bei der Inhaltstoffanalytik chinesischer Arzneidrogen.<br />
Tagungsband Fachtagung <strong>für</strong> Arznei- und Gewürzpflanzen 2004, 63-65. Thüringer<br />
<strong>Landesanstalt</strong> <strong>für</strong> Landwirtschaft, Jena: 2005.<br />
Europäisches Arzneibuch. 6. Ausgabe, Grundwerk 2008. Stuttgart: Deutscher Apothekerverlag/Eschborn:<br />
Govi Verlag; 2008. S. 3831-3833.<br />
Impressum<br />
Herausgeber: <strong>Bayerische</strong> <strong>Landesanstalt</strong> <strong>für</strong> Landwirtschaft (LfL)<br />
Vöttinger Straße 38, 85354 Freising-Weihenstephan<br />
Internet: http://www.LfL.bayern.de<br />
Redaktion: Institut <strong>für</strong> Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung (IPZ),<br />
Arbeitsgruppe „Heil- und Gewürzpflanzen“ (IPZ 3d),<br />
Am Gereuth 2, 85354 Freising-Weihenstephan<br />
E-Mail: Pflanzenbau@LfL.bayern.de<br />
Tel.: 08161/71-3805<br />
Text: Prof. Dr. Ulrich Bomme<br />
Fotos: Prof. Dr. Ulrich Bomme, Dr. Heidi Heuberger, Rudolf Rinder,<br />
Wolfgang Seemann<br />
1. Auflage: Februar 2010<br />
© LfL