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Fußball Kolumne "Abseits"

"Scheiß RWO" – Bierbecher bringen Oberhausen Glück

Die RWO-Fans sehen die Becher-Aktion ihres Präsidenten zwiespältig Die RWO-Fans sehen die Becher-Aktion ihres Präsidenten zwiespältig
Die RWO-Fans sehen die Becher-Aktion ihres Präsidenten zwiespältig
Quelle: picture-alliance / Eibner-Presse/picture alliance
Rot-Weiß Oberhausen setzt im Stadion auf billige Sammelbecher. Der Aufdruck "Scheiß RWO" verärgert die Fans, aber mit ihm gewinnt das Team.

Die folgende Geschichte spielt am Niederrhein, könnte aber auch glatt als Schwabenstreich durchgehen. Es geht um eine Milchmädchenrechnung mit Bierbechern und Selbstironie, die der eine hat und der andere nicht und spielt in Oberhausen. Der ansässige Zweitligist Rot-Weiß hat schon bessere Zeiten gesehen und just vor 40 Jahren durch ein 8:1 über den HSV in der Bundesliga mal kurz für Furore gesorgt.

Viel mehr war aber nicht seitdem, RWO richtete sich ein in den unteren Regionen des Profifußballs, und das Geld war immer knapp, was nicht verwundert im Einzugsgebiet von bis zu vier Erstligisten. Das ist bis heute so und deshalb können sie jeden Cent gebrauchen in Oberhausen, wo die Stadt im Sommer den Anstoß für die folgende Posse gab. Künftig sind Wegwerf-Becher im Niederrhein-Stadion verboten. Der Umwelt zuliebe darf das Bier nur noch in Pfandbechern ausgeschenkt werden, die den Nachteil haben, dass sie wie ein Bumerang zurück kommen. Weil ja eben Pfand drauf ist, ein Euro genaugenommen. Das reduziert die Einnahme und bindet Servicepersonal, dachte sich der als originell verschriene Präsident Hajo Sommers, seines Zeichens ein Theaterintendant, und hatte eine bühnenreife Idee.

Man hat ja nichts zu verschenken

RWO brachte zum Spiel gegen Bochum vor zwei Wochen eine Sammeledition in Umlauf, jeweils mit dem Konterfei eines Spielers. Das soll nun die ganze Saison so gehen, bis der ganze Kader inklusive Maskottchen „Underdog“ unter die Leute gebracht worden ist. Denn was ein echter RWO-Fan ist, nimmt den Becher doch lieber nach Hause bis er seine Idole komplett im Küchenschrank hat, oder? Pro nicht zurück gegebenen Becher verdient der Verein abzüglich Herstellungskosten 36 Cent und man hat ja nichts zu verschenken.

So weit der unproblematische Teil der Idee, die im übrigen andere Klubs wie der VfL Wolfsburg auch schon mal hatten. Doch was machen mit dem Gästeblock, der nicht selten die Mehrheit der Zuschauer in Oberhausen ausmacht? Intendant und Präsident Sommers griff zum Stilmittel der Selbstironie und ließ Becher mit der Aufschrift „Scheiß RWO“ herstellen, die nur am Ausschank hinter dem Gästeblock erhältlich sind. „Wir haben ihnen quasi ein Lese-Angebot gemacht. Sie singen den Spruch ja sowieso“, sagt Herr Präsident, „wir verunglimpfen uns mal selbst. Na und?“.

Mit ersten Erfolgen: rund 600 Bochum-Fans nahmen den Becher mit als Andenken an eine Rarität der Marketing-Geschichte. Doch die Selbstironie trifft beim Kern des RWO-Anhangs auf betonharten Widerstand. Nachdem die Aktion vergangenen Sonntag gegen den VfL Osnabrück wiederholt worden ist, hagelt es in den Untiefen des Internets Rücktrittsforderungen für Sommers und Heimspiel-Boykott-androhungen. „Kein Verein auf der Welt ist so daneben im Gästeblock ‚Scheiß xxx-Becher raus zu geben. Das ist ja schlimmer als der Doppelabstieg“, jammert einer im Fan-Forum, ein anderer sieht die Apokalypse nahen: „Der Verein ist kurz vor dem Ende, das Stadion wird unter dem Gelächter der Gästefans zusammenbrechen“.

Seit es den Becher gibt, gewinnt RWO

Die hatten allerdings bisher nichts zu lachen: seit es den Becher gibt, hat RWO nur gewonnen, weshalb die Gästefans selbigen als Wurfgeschoss Richtung eigene Spieler nutzten. Das ist für RWO die Optimallösung, die Becher können wieder verwendet werden und das komplette Pfand wurde einbehalten. Ob der clevere Intendant auch diese Pointe am Ende der Aufführung bedacht hat?

Zuzutrauen wäre es ihm. Jedenfalls hat er schon einen Plan für den Fall, dass die insgesamt 5.000 Schmäh-Becher irgendwann aus sind. „Dann kommen eben welche mit anderen Sprüchen. So ernst Fußball auf dem Platz ist, das Drumherum darf ruhig witzig sein.“ Die Kultbecher werden sogar im eigenen Fan-Shop angeboten. Selbstironie ist, wenn man trotzdem lacht.

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