Julia Timoschenko: Neue Version der Diagnose?

Weil sie 2009 mit Russland Gasverträge zum Nachteil der Ukraine abgeschlossen haben soll, wurde Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko wegen Amtsmissbrauchs schuldig gesprochen. Seither macht sie aus dem Krankenbett heraus immer wieder Schlagzeilen. Foto:

Eine neue Krankheitsdiagnose der ukrainischen Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko erregt die Regierung in Kiew – nicht aus Sorge um den Gesundheitszustand der prominenten Patientin, sondern aus Ärger über die politische Dimension ihrer Erkrankung.

Julia Timoschenko leidet nach jüngsten Berichten des Kiewer Mediums Versiji, auf die sich die Nachrichtenagentur Ukrinform beruft, an Radikulitis, einer Erkrankung der Nervenwurzeln. Dies komme nun zum ursprünglichen Bandscheibenvorfall und den späteren Hautallergien dazu.

Was in Kiew Unmut erregt, ist der Umgang der deutschen Ärzte aus der Berliner Charité mit dem Zustand Timoschenkos. Demnach leide weltweit jeder achte Mensch über 40 an Radikulitis. Ohne Operationen und ohne kostspielige Untersuchungen könnten Fachärzte die Krankheit normalerweise in spätestens acht Wochen behandeln. So sei ein weiblicher Mithäftling Timoschenkos mit derselben Erkrankung längst wieder genesen und in die Gefängniszelle zurückgekehrt.

"Die deutschen Ärzte quälen sich jedoch mit Timoschenkos Rücken den ganzen Sommer ab", heißt es in der Veröffentlichung.

Der Charité-Mediziner Karl Max Einhäupl hatte vor kurzem erklärt, Timoschenkos Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert, wegen einer Hautallergie müsse die Behandlung für drei Wochen unterbrochen werden, außerdem benötige die Politikerin acht Wochen Ruhe.

"Politische Spielchen"

Den deutschen Medizinern wird vorgeworfen, politische Spielchen zu spielen. Sie würden damit ihren Ruf riskieren. Zudem widersprechen einander die Meldungen über den tatsächlichen Gesundheitszustand der Politikerin, die wegen ihrer umstrittenen Gasgeschäfte mit Russland zu sieben Jahren Haft verurteilt ist.

Die politische Dimension scheint nicht nur innenpolitisch in der Ukraine begründet – Präsident Viktor Janukowitsch verliert im Vorfeld der Parlamentswahlen vom Oktober dieses Jahres allmählich die Geduld mit seiner Rivalin –, sondern weist auch nach Deutschland, und zwar direkt ins Bundeskanzleramt. Angela Merkel und ihr Ehemann, Joachim Sauer, sollen demnach gute Beziehungen zu einem der behandelnden Ärzte haben; die deutsche Regierung habe die Charité-Ärzte zur Behandlung der 51-jährigen Patientin vermittelt, und ferner sei ein Vertreter des Kanzleramts zusammen mit den Ärzten in die Ukraine gekommen.

Für Verwunderung sorgt auch der Widerspruch, dass Timoschenko zu krank sei, um an den Gerichtsverhandlungen teilzunehmen, weswegen bereits mehrere Termine verschoben werden mussten, andererseits aber fit genug sei, um zahlreiche europäische Politiker zu ausführlichen Gesprächen zu empfangen.

In einem Auruf an Bundestagsabgeordnete hatten ukrainische Ärzte aus der Klinik in Charkiw gebeten, Deutschland solle im Falle Timoschenko zwischen politischen Ziele einerseits und der professionellen medizinischen Tätigkeit andererseits besser differenzieren.

ekö, m.m.


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